Neulich am Radiocamp in Hamburg

Das erste Radiocamp Deutschlands
Das erste Radiocamp Deutschlands

Als kleines Rädchen der guten alten Radiomaschinerie und durchaus Anhänger der Stärken von „1.0“-Medien (im Gegensatz – aber nicht in Gegnerschaft – zu Web2.0) blickte ich bisher durchaus neidvoll auf Schilderung diverser Barcamps und ihrer mir auch via Blogs (etwa hier und hier) vermittelten Atmosphäre, die ein spürbares Brodeln und eine Vorahnung größerer Veränderungen geben.  Dass diese – wenn man so will  – Grassroots-Aura bei Diskussionen auch noch mal den für seine Trägheit mittlerweile bekannten Hörfunksektor infizieren kann, ich hätte es nicht für möglich gehalten, hätte nicht ich den gestrigen Tag in Hamburg auf dem ersten Radiocamp verbracht.

 

Erstes Resümee: So jung, so inspirierend, so enthusiastisch, so emotional  hab ich die Radiobranchentreffen noch nie erlebt. Auch wenn eines nachdenklich macht: Mehr als ein Jahrzehnt nach mehr oder weniger hoffnungsvollen Einsatz von Audio-Streamingtechnologie ist die Webradio-„Branche“ noch immer auf der Suche nach einem echten Modell, um echt Business zu machen. Dem Elan, den vielen Ideen, ja einem spürbaren Idealismus der Macher tut dies offensichtlich keinen Abbruch, Geldmittel scheinen selbst in Zeiten wie diesen ausreichend für unterschiedliche Experimente da zu sein (siehe dazu beispielsweise hier und hier).  Nicht zu verschweigen ist dabei natürlich auch, dass bei vielen die ja nicht prinzipiell unintelligente Finanzierungs-Variante der Selbstausbeutung (nach eigenen Angaben die hier) so manchen unternehmerischen Traum wahr werden lässt, oft zusätzlich zum Fulltime-Job bzw. als One-Man-Show (wobei es tatsächlich, sofern die Teilnehmerschar repräsentativ war, in einem dramatischen Ausmaß eher jedenfalls Men als Women zu sein scheinen). Viele unter ihnen haben ihre ersten Radiosporen als Moderatoren oder Marketingmenschen bei UKW-Sendern verdient, andere wiederum motiviert die Lust auf Alternativen.

 

Im Mittelpunkt bei den meisten Wortmeldungen standen dabei mehr die unterschiedlichen Programmansätze und die Reichweite – weniger die damit verbundene Rendite. Und dennoch bleibt spürbar: Schön langsam eint alle der Wunsch, auch mal finanziell was davon zu haben. Was mich auch zum nächsten Punkt bringt: Dass wir am Vorabend eines Professionalisierungsschubs stehen, zeigt die Reihe der professionellen Partner, welche bereits als Sponsoren hier mit in der Schlange standen: Von RMS mit audimark, über radio.de als auch ARD AS&S . Alle eint: Es ist nun hoch an der Zeit Standards zu definieren, um Mediaplanern das Potenzial der bereits jetzt möglichen enormen Reichweiten zu erschließen. Das große Asset ist dabei logischerweise der tatsächliche Nachweis eines Werbekontakts (im Gegensatz zu einer vermuteten, berechneten, auf Basis veralteter Befragungen ermittelter Kontakt-Wahrscheinlichkeit, wie es in der analogen Radiowelt üblich ist). Was aber dabei viele noch unterschätzen: Es ist nicht nur unklar, wer hinter den „IP-Adressen“ sitzt, sondern auch wieviele. Mit der größer werdenden Anzahl von WLAN-Geräten, aber selbst in Büros oder zu Hause beim Dinner sind ausgewiesene Unique User so unique gar nicht.

 

Abgesehen von diesem Detail: Die Hoffnung auf „Mach´s Dir selbst“ (gemeint ist das eigene Radioprogramm) lebt verblüffenderweise auch abseits bzw. trotz LastFM (hier), auch wenn zu befürchten steht, dass die Verwertungsgesellschaften jedenfalls eher weiterhin die Rolle des Verwalters und Bremsers innehaben, weniger jene des Gestalters und Förders neuer Wertschöpfungsmodelle.

 

Aufschlussreich schwachsinnig: Der weiterhin bestehende Wahn in Deutschland, nach ersten Lizenzierungsversuchen von Webradios nun zumindest Anzeigepflichten ab bestimmter Relevanz einzufordern (siehe dazu etwa hier). Persönlich finde ich das willkürlich und unnötig. Insbesondere weil eben die Frequenzen in der schönen, neuen, digitalen Welt eben kein knappes Gut mehr sind, gibt’s dafür einfach keinen Grund und schafft nur unnötige bürokratische Hürden und finanzielle Belastungen für eine potenzielle Boombranche. Auch hier ungewöhnlich: Wen das nicht interessiert, es sei an dieser Stelle ausgesprochen. Herzlich Willkommen am Standort Österreich, sollte ein Interesse an einem Webradio-Cluster bestehen, wir haben was gemeinsam. 

 

Letzte Erkenntnis: Spannend für mich war auch zu erfahren, in welchem Ausmaß derzeit die vermarktbaren Reichweiten von den vielen „kleinen“ Webradios kumuliert im Vergleich zu den Webradio-Angeboten „etablierter“ UKW-Sender kommen. Laut Auskunft von jemandem, der es wissen muss: Nur 3 Prozent der Reichweite schaffen die meist unter etablierten UKW-Dachmarken zusammengefassten Angebote (siehe hier). Long Tail lässt grüßen, auch wenn die quantitativ sicherlich durchaus starken Simulcasts der UKW-Hauptprogramme verständlicherweise hier unberücksichtigt bleiben. 

4 Kommentare zu “Neulich am Radiocamp in Hamburg

  1. Toller Bericht; Und trifft den Nagel auf den Kopf: dieses Veranstaltungsformat ist einfach genial. Ich freu mich schon sehr auf das Barcamp nächstes Wochenende in Klagenfurt.

  2. Der Novak bloggt, ich glaub es kaum! Da fallen mir jetzt reihenweise in Sprüche gegossene Plattitüden ein.. „Was lange währt wird endlich gut“ zum Beispiel oder „Steter Tropfen höhlt den Stein“.

    :-)

    Willkommen!

  3. Ah, „awaiting moderation..“ Nur nicht so ängstlich, Herr Novak!

  4. Wollte ja eigentlich schon vorwegnehmen, was der Helge dazu sagen würde. Der Novak bloggt ja schon länger (wie Du ja weißt, nur ohne Blog-Technologie und unter Ausschluss der „anonymen“ Öffentlichkeit), aber jetzt ist halt der Vorhang gelüftet. An der Regelmäßigkeit wird noch gearbeitet. ;-)

    Danke für den guten Empfang. Und: Ja, unsere Gespräche haben einiges zum Verständnis beigetragen.

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