‚I know what you are going to do next summer. And when and where.‘ – Über meine ganz subjektive Erfahrung mit Google Maps

Jan Moito, vor Dekaden für den Programmbereich von Leo Kirch verantwortlich, heute erfolgreicher Fernsehfilmproduzent, meinte vor rund 15 Jahren sinngemäß, das erfolgreichste Fernsehprogramm sei – konsequent zu Ende gedacht – eines, in dem man sich permanent selbst sieht. Das Visionäre an dem Statement war, dass er damit womöglich im Kern eines der essenziellen Versprechen von Facebook zu einem Zeitpunkt identifiziert hatte, als der Begriff Social Media in unseren Breiten eher als unbeholfene Beschreibung von Sozialprojekten im Medienbereich herhalten durfte.

Heute haben wir uns längst daran gewohnt, dass das Smartphone nicht nur als Instrument der Selbstbespiegelung in besonderen Momenten herhalten muss, umgangssprachlich auch neuerdings „Selfie“ genannt, sondern uns auch Auskunft geben kann, wie schwer wir sind, wie weit und wir schnell wir laufen und wieviel Kalorien wir dabei bei welcher Herzrate verbrennen. Und mit diesen Daten bei Bedarf die Bühne des sozialen Lebens betreten, um Applaus zu erheischen. Ich halte mich dabei jener Spezies für zugehörig, die im Zweifel diese Dinge gerne leidenschaftlich mal ausprobiert.

Die Ur-Form dieser dank Smartphone dokumentierten sozialen Standortbestimmung ist seit mittlerweile einigen Jahre bekanntermaßen die Nutzung von Kartenmaterial inklusive Foto-Vogelperspektive aus dem All, freu nach dem Motto:
„Aha, so schaut mein Haus und Garten von oben aus!“

So weit, so gut.

Eine neues Kapitel der Kartennutzung bescherte mir vor wenigen Tagen – zu meiner totalen Überraschung – GoogleMaps auf dem Mobiltelefon meines Vertrauens:

Aus Anlass des Besuchs der TEDGlobal in Rio wollte ich am Vortag die bestmögliche Fahrt vom Flughafen zum Hotel recherchieren. Die Überraschung war groß.
Bei genauerem Hinsehen und noch mit der Frage konfrontiert, ob das denn der richtige Flughafen ist, musste ich erkennen, dass Google Maps mir bereits mitteilt, zu welcher Uhrzeit an welchem Tag ich an welcher Ort auf dieser Karte anzutreffen sein werde:

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Das ist aber bei weitem nicht alles: Das Hotel meiner Wahl war inklusive Ort und Reservierungsdauer ebenso vermerkt.

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Wer, wie ich, mit einem Schulatlas sozialisiert werde, der zumindest jeweils für die Unter- und Unterstufe für vier Jahre eine gewisse objektive Sicht auf den jeweiligen geopolitischen Konsens festzuhalten versuchte, dessen Verblüffung ist wohl groß, wenn man sich selbst auf einer Karte entdecken kann. Dessen Verblüffung ist aber noch größer, wenn man eine Karte liest, die weiß, wo man in den kommenden Tagen sein wird – ohne dem ausdrücklich zugestimmt zu haben.

Wie das sein kann? Ein Erklärungsversuch: Meine Mails werden großteils von google apps gehostet. Google gelingt es offensichtlich über den Mail-Account meine Kartennutzung zu verknüpfen und standardisierte Reservierungsbestätigungen (hier der Fluglinie und des Hotels) auszuwerten und automatisiert zu hinterlegen. Klick man auf den Karteneintrag, bestätigt sich das auch und man bekommt das jeweilige Mail, das die Basis für den Eintrag ist.

Das Gespenstische: Mir war das nicht klar. Der nicht zu leugnende Vorteil: Google Maps lieferte mir punktgenau die beiden Informationen, die ich gerade verknüpfen wollte. Und ich gebe zu: Flughafenadressen und Hoteladressen „are always a hassle to be put into google maps“, wie der Amerikaner das nennen würde. Der Bequemlichkeitsfaktor somit enorm hoch. Andererseits: Das gefühlte Unbehagen, dass jemand meine Gedanken zu lesen versucht ist, vornehm formuliert, mehr als gewöhnungsbedürftig. Steht als nächstes das UBER-Taxi vor der Tür – bevor ich es bestellt habe?

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